Anfang September und es ist wieder soweit:
Spekulatiusplätzchen und Nikoläuse, Weihnachtskekse und Lebkuchen liegen pünktlich Anfang des neuen Schuljahres in den Regalen der Geschäfte. So stellt sich die Frage: Sollen Marzipankartoffeln und Pfeffernüsse in die Zuckertüte? Würde sich ein Schulanfänger an seinem ersten Schultag darüber freuen? Warum eigentlich nicht?!
Trotzdem bin ich irritiert. Wir haben den Monat September vor uns, dann Anfang Oktober das Erntedankfest - soll ich es etwas mit Glühwein und Elisenlebkuchen feiern? Nach dem Erntedankfest folgen noch acht Wochen bis zum 1. Advent. Das ist eine lange Zeit. Selbst wenn ich in diesen Wochen passend zur Jahreszeit Geld ausgeben möchte - es gibt nichts zu kaufen, nichts, was man jetzt einfach haben muss! Diese drei Monate werden schlichtweg ignoriert.
Das Reformationsfest, der 9. November, der Martinstag, der Volkstrauertag, Buß- und Bettag, der Ewigkeitssonntag: Das sind lange acht Wochen voller Test, Feiertage und Gedenktage! Es ist die Zeit, sich der eigenen wie auch der kollektiven Geschichte unseres Volkes zu stellen.
Das Reformationsfest am 31. Oktober: Luther hat uns den Blick geschärft für den barmherzigen Gott.
Ewigkeitssonntag: Unsere Tage sind begrenzt! Unser Leben ist endlich.
Der 9. November, der Volkstrauertag: Da geht es um Schuld und Versöhnung unserer Nation. Es geht um die vergangene Unfähigkeit, friedlich mitzuspielen im Konzert der Völker - uns zugleich um die Vergewisserung, es in Zukunft besser zu machen.
Der Buß- und Bettag mahnt, genau hinzusehen: Was alles trennt uns von anderen Völkern und von Gott?
Ja, solche gesellschaftlichen Sinn- und Orientierungsfragen führen in die Abgründe unseres Menschseins. So etwas lässt sich nicht werbewirksam vermarkten!
So bleibt mir nur eins: Ich werde mir die Zeit nehmen, das Erntedankfest zu feiern und Gott für die Gaben des Jahres zu danken. Ich werde den Altweibersommer im Oktober ausführlich genießen und mich am Reformationstag über unseren gnädigen Gott freuen. Ich werde im November die Tage der Trauer und der Erinnerung bewusst begehen.
„Alles hat seine Zeit“, schreibt der Prediger im Alten Testament. Und diese Zeit werde ich auskosten. Auf Dresdner Stollen und Punsch freue ich mich jetzt schon: Aber ich werde sie erst ab dem 1. Advent aus den Regalen nehmen.
Ihre Pfarrerinnen
Renate Lisock, Claudia Drese und Dorothee Schmitt