Im Mittelalter war die Laurentiuskirche von Skagen (Dänemark) das größte Gotteshaus weit und breit. Doch seit Beginn des 17. Jahrhunderts war der Sandflug in dem von Wanderdünen geprägten Gebiet so stark, dass die Kirche immer mehr zusandete. Lange noch hielt man den Weg zur Kirche mit Schaufel und Besen frei, doch 1795 wurde die Kirche geschlossen. Das Inventar wurde versteigert, die Steine des Kirchenschiffs konnte die verarmte Bevölkerung gut zum Hausbau gebrauchen. So ragt heute nur noch der Turm der Kirche über die Dünenlandschaft hinaus.
Tilsandede Kirke – „Versandete Kirche“ heißt der Ort. Und auch heute werden in unserem Land sowohl evangelische als auch katholische Kirchen aus verschiedenen Gründen aufgegeben.
In der Bibel wird ja die christliche Gemeinde mit dem Kirchbau verglichen. So heißt es im Epheserbrief (Kapitel 2,19-22):
So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Schlussstein ist, durch welchem der ganze Bau ineinandergefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn. Durch ihn werdet auch ihr mit erbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist.
Wenn Kirchengebäude aufgegeben werden, kann das durchaus zum Lauf der Geschichte gehören. Bedenklicher ist: wenn Gemeinden in der Bedeutungslosigkeit versinken, ohne dass äußere Umstände dazu zwingen; denn manchmal habe ich schon den Eindruck, dass geistliche Gemeindegebäude wackelig geworden ist.
Da haben sich manche aus der Gemeinschaft verabschiedet, andere sehen keine Möglichkeit, ihre Fähigkeiten einzubringen und liegen herum wie nutzlose Steine. In manchen Gemeinden heißt es: Es kommt doch auf den Pfarrer an, doch ein Stein kann nicht das ganze Gebäude bilden. Anderswo werden die vielen Gaben der Gemeinde nicht genutzt, und das Haus Gemeinde ist eigentlich nur noch eine Ruine. Wie viele Möglichkeiten verlaufen im Sande …
Wie kann es weitergehen? Was das äußere Kirchengebäude betrifft, wird wohl das eine oder andere Gebäude aufgegeben werden müssen, so wie damals in Skagen. Und das ist bedauerlich, denn daran hängen Erinnerungen, Hoffnungen und Wünsche. Andererseits kann es auch ein Hinweis darauf sein, dass kein Gebäude die Größe Gottes fassen kann, und dass das Ziel der Geschichte nicht die Kirche, sondern das Reich Gottes ist.
Und wie ist es mit dem geistlichen Bau? Klar, der Heilige Geist ist nicht angewiesen auf die Wohnungen, die wir ihm bauen. Doch damit wir auch in Zukunft gut leben können, wird es darauf ankommen, dass wir uns neu erbauen lassen zur Gemeinde Christi. Vielleicht sehen christliche Gemeinschaften in Zukunft anders aus als die Gemeinden, die wir bisher gekannt haben. Auf dem Grund der Apostel und Propheten und mit Christus als Schlussstein können ganz unterschiedliche Formen entstehen. Es wird jedoch darauf ankommen, wie wir unsere verschiedenen Gaben und Fähigkeiten einsetzen, so dass alles gut zusammenpasst.
Der alte Kirchturm aus Skagen kann uns mahnen, dass unsere Fähigkeiten nicht versanden. Ermutigen kann uns die Gewissheit, dass Gottes Geist unter uns wohnen will.
Seien Sie alle sehr herzlich gegrüßt
von Ihren Pfarrerinnen
Dorothee Schmitt und Claudia Drese