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1050 JAHRE FRECKLEBEN

"Die Kirche scheint ein sehr hohes Alter zu haben und schon vor der Zeit der Reformation erbaut worden zu sein. Ursprünglich hat sie unstreitig den gegenwärtigen Umfang nicht gehabt und ist wahrscheinlich eine Kapelle gewesen. Vermutlich ist diese im Jahr 1594 durch einen Anbau auf der südöstlichen Seite erweitert worden, sodass sie die jetzige Gestalt erhalten hat. Unten am Rand der Kanzel nämlich und an einer nordöstlich gelegenen Empore findet man die genannte Jahreszahl. An der Kanzel liest man: „Ao. 1594 d. 22. Marty“ und an der Empore „1594“, und diese Jahreszahl deutet ohne Zweifel auf die Vergrößerung der Kirche hin. Dass diese durch besagten Anbau die jetzige Form erst erhalten haben muss, lässt sich mit Sicherheit aus folgenden zwei Gründen schließen. Erstlich hat man bei der 1855 stattgefundenen Erneuerung derselben, als das Pflaster aufgerissen wurde, im Schiffe von der Kanzel aus eine alte Grundmauer entdeckt, welche von da nach der nordwestlichen Seite hinläuft und deren Vorhandensein deutlich den Beweis liefert, dass der südöstlich liegende Teil der Kirche späterhin angebaut sein muss. Zweitens zeigt es sich ganz klar, dass in der inneren Einrichtung nur darum alle Symmetrie verletzt worden sein kann, weil in späterer Zeit ein Anbau stattgefunden hat. Diese Erweiterung scheint aus folgendem Grunde geschehen zu sein: In dem sogenannten Unterdorfe von Freckleben befindet sich eine Stelle, welche der „Moritzkirchhof“ genannt wird. In der Nähe derselben soll die Moritzkirche gestanden haben, von der noch in der neuesten Zeit Grundmauern ausgegraben worden sind. Diese Kirche, welche wahrscheinlich in alter Zeit von der Gemeinde zur Verrichtung des Gottesdienstes benutzt worden ist, ist vermutlich 1594 eingegangen und die gegenwärtige den Gemeindegliedern eingeräumt worden. Da letztere für die Gemeinde einen zu beschränkten Raum hatte, sah man sich genötigt, sie nach Südosten zu erweitern. Vor dem Jahre 1594 ist sie wahrscheinlich nur von den hiesigen adligen Herrschaften benutzt worden, während die Moritzkirche eine Art Filialkirche bildete. Wann die Reformation in der hiesigen Gemeinde Eingang gefunden hat, darüber schweigen die Nachrichten." - Auszug aus: MONATSBOTE für die evangelischen Gemeinden Sandersleben und Unterwiederstedt. Freckleben, Drohndorf und Mehringen – 15. Jahrgang, Februar 1925, S. 16 ­ Aus der Geschichte der Kirche

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Nicht einmal mehr jeder zweite Deutsche weiß, warum Pfingstsonntag und Pfingstmontag überhaupt Feiertage sind. Und wissen, heißt ja noch lange nicht glauben. Aber was gibt es denn an Pfingsten zu glauben?

Die Bibel erzählt darüber eine dramatische und etwas wunderliche Geschichte. Sie erzählt von einem gewaltigen Sturm, tanzenden Feuerzungen und von Menschen, die Gottes Geist in ihre Herzen ließen und anfingen vor Freude in allen Sprachen zu sprechen. Kein Wunder, dass die unbeteiligten Zuschauer damals sich fragten, was das denn bloß bedeuten sollte; kein Wunder, dass einige annahmen, die Begeisterten hätten einfach zu viel Wein getrunken. Aber dennoch ­ viele der Zuschauer blieben nicht unbeteiligt; viele ließen sich anstecken von der Begeisterung.

Die brachen natürlich nicht alle in Freudentaumel aus und sprachen auf einmal in tausend Sprachen. Die Begeisterung war nicht bei allen so spektakulär, aber genauso wirkungsvoll. Wer vorher Einsamkeit in seinem Herzen spürte, fühlte sich auf einmal getröstet. Wer vorher mit seinem Leben haderte, fühlte sich auf einmal getragen. Wer vorher mutlos war, fühlte sich gestärkt. Aber wie auch immer die Wirkung war ­ alle, die sich anstecken ließen, spürten auf einmal den Geist Gottes in ihren Herzen und wurden verändert. Und genau darum geht es an Pfingsten.

Pfingsten gilt als Geburtsstunde der christlichen Kirche. Aber Pfingsten ist mehr als das:

denn an Pfingsten beginnt unsere ganz persönliche Geschichte mit Gott.

Meine und vielleicht ja auch Ihre! Wenn Sie glauben, dass es eine höhere Macht gibt, die unser Leben in der Hand hält; wenn Sie glauben, dass Gott etwas mit Ihnen vor hat; wenn Sie glauben, dass Gott in Ihnen wirkt, dann haben auch Sie sich anstecken lassen von Pfingsten, dann haben auch Sie den Geist Gottes in Ihr Herz gelassen.

Und dann beginnt an Pfingsten Ihre ganz persönliche Geschichte mit Gott. Wie die aussehen kann? Das können nur Sie beantworten, denn Gottes Geist wirkt wie er will ­ in jedem Herzen auf ganz besondere Weise und immer wieder anders: er tröstet in der Verzweiflung; er stärkt, wenn wir uns schwach fühlen; er zeigt uns den Weg, wenn wir nicht weiter wissen; er muntert uns auf, wenn wir verzweifelt sind; er rüttelt uns auf, wenn wir uns verrannt haben.

Eigentlich schade, dass viele Menschen nicht mehr wissen, was Pfingsten ist. Denn Pfingsten ist das Fest, das uns am meisten angeht; das Fest, an dem Gott uns am engsten berührt ­ mit seinem Geist, der in uns wirken möchte ­ auf tausend verschiedene Weisen.

Es grüßen Sie herzlich
Ihre Pfarrerinnen
Claudia Drese und Dorothee Schmitt

Stand: Gemeindebrief Mai/Juni 2023

Schon wieder ist ein Jahr zu Ende. Was uns wohl das neue bringen wird? Ich versuche eigentlich schon immer alles eher positiv zu sehen. Aber ich schwitze jetzt schon, wenn ich an die Stromabrechnung denke, die irgendwann im Januar ins Haus flattern wird. Und, wenn ich so an die letzten Jahre denke. Was alles passieren könnte, dann fühle ich mich schon so ein bisschen hilflos und allein gelassen. Was ist, wenn jemand in der Familie krank wird? Oder ich an einen Freund denke. Kann er seinen Job jetzt doch behalten, oder kommt noch irgendwann die Kündigung?

„Du bist ein Gott, der mich sieht."

Das ist ein Satz aus der Bibel. Es ist die Jahreslosung, so etwas wie das Motto, das über dem nächsten Jahr 2023 stehen wird. Du bist ein Gott, der mich sieht. Das hat eine Frau in der Bibel gesagt. Sie war eine schwangere Magd, eine Sklavin, auf die niemand groß Rücksicht genommen hat. Eines Tages ist sie davongelaufen, weil sie es nicht mehr ausgehalten hat. Ihre Herrin hatte sie furchtbar gequält, aus Eifersucht und Neid. Schwanger und allein saß die Arme nun in der Wüste auf der Flucht. Sie hatte schon fast aufgegeben – da wurde sie von einem Engel gerettet. Aber nicht durch ein Wunder, nicht durch Geld oder was zu Essen. Nein. Der Engel hat die Frau gerettet, indem er ihr ihre Würde zurückgegeben hat. Er hat sich für sie interessiert. Er hat ihre Not gesehen und ihr so ganz wortwörtlich ihr Ansehen wiedergegeben. Und da wusste die Frau, dass sie nicht alleine ist. Und dass es eine Zukunft für sie und ihren Sohn geben wird.

Du bist ein Gott, der mich sieht. Für mich heißt das: Gott interessiert sich für mich. Weiß, wie es mir geht und was mich so beschäftigt. Gott sieht mich und jeden einzelnen Menschen.
Das heißt für mich auch, dass er sieht, was mich in diesen Tagen um Silvester umtreibt. Dass er mit auf jede Abschlagszahlung schaut, die uns zum Schwitzen bringt. Dass er auf jede Bewerbung schaut, die jemand voller Hoffnung an eine Firma schickt. Auf jedes Krankenblatt, jedes Kündigungsschreiben, jede Geburtsurkunde und jede Glückwunschkarte. Dass er einfach immer und überall mit dabei ist.
Mir hilft das, dass ich weiß: Egal, was mir 2023 so bringt. Gott sieht mich. Und er ist immer für mich da. Davon kann ich natürlich auch keine Rechnungen bezahlen. Und eine Krankheit verschwindet auch nicht einfach so wieder. Aber ich weiß einfach: Da sorgt nochmal jemand mit, da schaut buchstäblich nochmal jemand mit drauf.


In diesem Sinne wünschen Ihnen

Ihre Pfarrerinnen Dorothee Schmitt und Claudia Drese

für das Neue Jahr Gottes Beistand ‐ seinen Segen!
Lassen Sie sich sehen.

„Fröhliche Weihnacht überall, tönt es durch die Lüfte froher Schall.“ So wird es bald wieder überall zu hören sein und gesungen werden. Sind die Menschen in der Advents­ und Weihnachtszeit wirklich fröhlicher als sonst? Wenn ich in so manche Gesichter auf dem Weihnachtsmarkt blicke, merke ich nicht viel von Fröhlichkeit, eher etwa von Hektik, Ungeduld und Stress. Adventszeit ist Stresszeit. „Advent, Advent, alles rennt“, möchte man sagen. Wie soll da Freude aufkommen?

Der Apostel Paulus schreibt:

Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! Der Herr ist nahe! (Philipper 4,4.5b)

Kann man aber Freude befehlen? Echte Freude entsteht in einer innersten Entspannung, in einer psychischen Gesundheit, sagen die Mediziner. Freude ist das Gefühl der innersten Lebensgesundheit. Keine losgelöste Freude, sondern die Freude im Herrn ist hier gemeint. Christus ist der Lebensraum, die Atmosphäre, der Weg, auf dem unser ganzes Leben genesen kann und soll.

Denn die Freude am Herrn ist eure Stärke (Nehemia 8,10)

Wenn wir daran denken, in welcher Situation Paulus den sogenannten Freudenbrief an die Gemeinde in Philippi geschrieben hat, dann wird uns die Tiefe dieser Freude bewusst. Paulus schreibt diesen Brief nicht etwa mit Stollengebäck, Glühwein und Freunden am Tisch, sondern allein im Gefängnis. Ein Gerichtsverfahren ist gegen ihn eingeleitet worden und das Urteil könnte den Tod bringen. So ruft er der Gemeinde in Philippi und uns zu: Ihr Christenleute seid zu bleibender Freude berufen. Mitten in einer zu Ende gehenden Welt dürft ihr täglich Freude empfangen und weitergeben.

Vielleicht liegt das Problem unserer freudlosen Welt darin, dass wir uns überhaupt nicht mehr vorfreuen können. Bei Paulus ist es die Vorfreude, dass der Herr kommt. Der Herr ist nahe. Bald freuen wir am Heiligabend wieder das Wunder der Geburt Jesu Christ. Mit der Geburt Jesu leben wir in der Spannung, dass wir bereits von unserem Retter wissen, aber noch das Schönste vor uns haben. Wir erleben hier immer nur das Vorletzte. Das Letzte kommt noch: die Wiederkunft Christi.

In diesem Wissen können wir allem gelassen entgegensehen: „Denn Geborgenheit im Letzten gibt Gelassenheit im Vorletzten.“ Wir erleben ja in der Adventzeit, besonders bei den Kindern: Die Vorfreude ist die schönste Freude.

Seien Sie alle sehr herzlich gegrüßt ­ wir wünschen Ihnen eine freudige, gesegnete, besinnliche Advents­ und Weihnachtszeit

Ihre Pfarrerinnen Dorothee Schmitt und Claudia Drese

Im Mai 2017 erhielten wir von der Glockenfirma Beck die Empfehlung uns um die Anschaffung einer neuen Glockenanlage zu bemühen. Darum legten wir extra ein zweckgebundenes Spendenkonto an. Auch in diesem Jahr geht der Erlös des Cafés zum Mehringer Weihnachtsmarkt in Höhe von 497,66 € auf dieses Konto. Der Fotograf Peter Eichert unterstützte uns bei der Spendenaktion und sammelte bei seinem Fotoshooting  weitere 218,50 € für unser Vorhaben. Unser herzlicher Dank geht an alle Helfer und großzügigen Spender.

Ihr Gemeindekirchenrat Mehringen

Möchten Sie auch für unsere Kirchengemeinde spenden? Hier finden Sie Kontaktmöglichkeiten.

Laurentiuskirche von Skagen (Dänemark)Im Mittelalter war die Laurentiuskirche von Skagen (Dänemark) das größte Gotteshaus weit und breit. Doch seit Beginn des 17. Jahrhunderts war der Sandflug in dem von Wanderdünen geprägten Gebiet so stark, dass die Kirche immer mehr zusandete. Lange noch hielt man den Weg zur Kirche mit Schaufel und Besen frei, doch 1795 wurde die Kirche geschlossen. Das Inventar wurde versteigert, die Steine des Kirchenschiffs konnte die verarmte Bevölkerung gut zum Hausbau gebrauchen. So ragt heute nur noch der Turm der Kirche über die Dünenlandschaft hinaus.

Tilsandede Kirke – „Versandete Kirche“ heißt der Ort. Und auch heute werden in unserem Land sowohl evangelische als auch katholische Kirchen aus verschiedenen Gründen aufgegeben.
In der Bibel wird ja die christliche Gemeinde mit dem Kirchbau verglichen. So heißt es im Epheserbrief (Kapitel 2,19-22):

So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Schlussstein ist, durch welchem der ganze Bau ineinandergefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn. Durch ihn werdet auch ihr mit erbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist.

Wenn Kirchengebäude aufgegeben werden, kann das durchaus zum Lauf der Geschichte gehören. Bedenklicher ist: wenn Gemeinden in der Bedeutungslosigkeit versinken, ohne dass äußere Umstände dazu zwingen; denn manchmal habe ich schon den Eindruck, dass geistliche Gemeindegebäude wackelig geworden ist.

Da haben sich manche aus der Gemeinschaft verabschiedet, andere sehen keine Möglichkeit, ihre Fähigkeiten einzubringen und liegen herum wie nutzlose Steine. In manchen Gemeinden heißt es: Es kommt doch auf den Pfarrer an, doch ein Stein kann nicht das ganze Gebäude bilden. Anderswo werden die vielen Gaben der Gemeinde nicht genutzt, und das Haus Gemeinde ist eigentlich nur noch eine Ruine. Wie viele Möglichkeiten verlaufen im Sande …

Wie kann es weitergehen? Was das äußere Kirchengebäude betrifft, wird wohl das eine oder andere Gebäude aufgegeben werden müssen, so wie damals in Skagen. Und das ist bedauerlich, denn daran hängen Erinnerungen, Hoffnungen und Wünsche. Andererseits kann es auch ein Hinweis darauf sein, dass kein Gebäude die Größe Gottes fassen kann, und dass das Ziel der Geschichte nicht die Kirche, sondern das Reich Gottes ist.

Und wie ist es mit dem geistlichen Bau? Klar, der Heilige Geist ist nicht angewiesen auf die Wohnungen, die wir ihm bauen. Doch damit wir auch in Zukunft gut leben können, wird es darauf ankommen, dass wir uns neu erbauen lassen zur Gemeinde Christi. Vielleicht sehen christliche Gemeinschaften in Zukunft anders aus als die Gemeinden, die wir bisher gekannt haben. Auf dem Grund der Apostel und Propheten und mit Christus als Schlussstein können ganz unterschiedliche Formen entstehen. Es wird jedoch darauf ankommen, wie wir unsere verschiedenen Gaben und Fähigkeiten einsetzen, so dass alles gut zusammenpasst.

Der alte Kirchturm aus Skagen kann uns mahnen, dass unsere Fähigkeiten nicht versanden. Ermutigen kann uns die Gewissheit, dass Gottes Geist unter uns wohnen will.

Seien Sie alle sehr herzlich gegrüßt
von Ihren Pfarrerinnen
Dorothee Schmitt und Claudia Drese

Stand: Gemeindebrief September/Oktober 2022

Auf meinem Handy leuchtet die Corona Warn­App knallrot und zeigt ein erhöhtes Risiko an. Auch wenn das mittlerweile relativ häufig vorkommt, erschrecke ich doch jedes Mal und überlege, wo ich an dem genannten Tag überall war: Drinnen oder draußen, mit vielen oder wenigen Leuten. Ich überlege, wer in meiner Nähe war und grüble, wie risikoreich die Begegnungen gewesen sein könnten.

Ob diese Warn­App hilft oder eher nervt, das mag für jeden anders sein. Jedoch: Sie bringt mich immer wieder dazu, über Begegnungen nachzudenken. Zurück zu blicken und mich zu erinnern, wie nah oder fern mir jemand war. Ob intensiv oder nebenbei miteinander geredet wurde. Und manchmal ärgere ich mich richtig, dass ich vertraute, ausgiebige Gespräche und herzliche Begegnungen als risikoreich einschätze. Obwohl sie mir ja gut tun und ich sie brauche.

Manchmal stelle ich mir vor, wäre es gut, wenn so eine Warn­App auch mal Alarm schlägt, wenn eine Begegnung gekränkt hat. Das kommt ja auch vor. Nicht mit Viren. Sondern mit verletzenden Worten. Mit abweisenden Gesten oder fehlender Aufmerksamkeit. Das fällt mir auch oft erst im Nachhinein auf. Wenn ich darüber nachdenke.
Dass ein Satz ganz schön fies geklungen hat oder ich gar nicht beachtet wurde. Das kann verletzen und kränken. Und da wäre es hilfreich, sofort zu reagieren und ins Wort zu bringen, was kränkend bei mir angekommen ist.

„Mancher Leute Gerede verletzt wie Schwertstiche“, heißt es in der Bibel. „Die Zunge der Weisen bringt Heilung.“ (Spr. 12,18)

Ein cooler Spruch. Er spornt mich an, Worte zu finden, die trösten und aufbauen. Die erleichtern und Hoffnung verbreiten. Worte, die uns aufleben lassen und Heilung bringen. Sie sind lebenswichtig!


Seien Sie alle sehr herzlich gegrüßt von

Ihren Pfarrerinnen Dorothee Schmitt und Claudia Drese
- wir wünschen Ihnen eine erholsame Sommer­ und Urlaubszeit!

aus: Gemeindebrief Juni/Juli/August 2022

Aus der Ukraine kommen täglich viele Bilder in die Nachrichten. Die meisten sind schrecklich. Sie zeigen zerstörte Häuser, Soldaten mit Gewehren und Menschen auf der Flucht. Es gibt aber auch andere Bilder. Eines davon möchte ich in den Mittelpunkt meiner Gedanken stellen. Es zeigt Menschen irgendwo in der Ukraine, die ein lebensgroßes Kruzifix aus einem Schuppen bergen. Sie gehen dabei mit größter Vorsicht vor, damit nur ja nichts beschädigt wird. Sie wollen das alte Kreuz in Sicherheit bringen, damit es nicht zerstört wird, wie so vieles in diesem Krieg.

Man könnte sich nun fragen, ob diese Leute keine anderen Sorgen haben, als sich um so ein totes Stück Holz zu kümmern. Hat nicht der Gekreuzigte selbst von einem Gott gesprochen, dem die Lebenden wichtiger sind als die Toten? Nein, es scheint gerade dieses Kreuz zu sein, das ihnen jetzt besonders kostbar ist. Zu wissen, dass Jesus auch für sie und ihre Landsleute am Kreuz gestorben ist, gibt ihnen einen Halt, den sie sonst nirgends finden. Das ist etwas, dass ihnen sogar in dieser dunklen Zeit heilig ist. An dem sie sich aufrichten. Das ihnen einen Rest an Menschlichkeit und Würde belässt, den sie nicht aufzugeben bereit sind.

Und noch etwas. Der Gekreuzigte erinnert sie an das Leid ihres ukrainischen Volkes. Auf dem Gesicht Christi erkennen sie den Schmerz derer, die verwundet worden sind. Sein geschundener Körper sieht aus, als wäre er einer von den Gefallenen in diesem sinnlosen Krieg. Das gibt ihnen Trost. Und weil sie glauben, dass der Gekreuzigte der Auferstandene ist, schauen sie so auch auf die Toten. Mit einem letzten Funken Hoffnung, den sie nicht aufzugeben bereit sind.

Vier Menschen tragen ein altes hölzernes Kreuz aus einer Wellblechbaracke. Wer hat wohl schon vor diesem Kreuz gebetet? Wer hat sein Leben in die Hand Gottes gelegt? Wer hat verzweifelt um Hilfe gerufen, weil alles aussichtslos war? Die Menschen in der Ukraine haben schon viel Leid gesehen in der Geschichte ihres Landes. Und fast kommt es mir so vor, als ob das Gesicht des Christus an diesem Kreuz nun noch mehr von Schmerzen gezeichnet ist. So weh tut ihm das, was derzeit dort geschieht.

Ihre Pfarrerin Dorothee Schmitt

 

M. Brezniak, 1983

Buchlesung: Naphtali Brezniak »Birkenland. Gespräche mit meinem Vater Moshe«
herausgegeben von Constanze Jaiser und Uwe Neumärker, Berlin, 2011

Moshe Brezniak wurde am 6. Mai 1917 in der polnischen Stadt Międzyrzec Podlaski, auf jiddisch Mezeritch, geboren. Er starb am 10. Januar 2001 in Tel Aviv, Israel.

Die Tatsache, dass der ehemalige KZ-Gefangene Moshe Brezniak, der die Konzentrationslager Majdanek, Auschwitz, Buchenwald und zuletzt Langenstein-Zwieberge und auch die Todesmärsche überlebt hatte, belegt, dass er alle nur erdenklichen Grausamkeiten und Unmenschlichkeiten durch die Deutschen kennen gelernt hatte.

 "Es gibt keinen Autor, der beschreiben könnte, was passiert ist. Es gibt keinen Menschen, der begreifen könnte, was beschrieben ist. Unmöglich zu erzählen, unmöglich zu verstehen, unmöglich zu glauben"                                                                                                                                                Moshe Brezniak

Nach seiner Flucht vom Todesmarsch aus dem KZ Langenstein-Zwieberge in der Nähe von Sandersleben reparierte er trotz seiner furchtbaren Erfahrungen nach einigem Zögern den Hauptmotor für die große Wasserpumpe, die die Stadt Sandersleben mit Wasser versorgte.

 

Mit der Buchlesung am Donnerstag, den 27. Januar 2022 in der St.-Marien-Kirche Sandersleben durch Pfarrer Stefan Hansch, Wernigerode, ehren wir Moshe Brezniak und gedenken der Opfer des Nationalsozialismus, der Opfer von Krieg und Gewalt.

Zunächst ein ganz traditionelles Martinsbild. Der römische Soldat überragt den Bettler, hält ihn fest, bekleidet ihn mit der Hälfte seines Mantels. Die Begegnung am Stadttor der französischen Stadt Amiens war keine Begegnung auf Augenhöhe. Auf der einen Seite der Soldat, gut ausgerüstet, mit einem Platz im Leben, anerkannt. Auf der anderen Seite ein Bettler, halb verhungert, halb erfroren, dem Tod nahe. Doch obwohl es keine Begegnung auf Augenhöhe ist, übersieht Martin den Notleidenden nicht, sieht den Bettler in seinem Elend, nimmt sich seiner Not an und rettet ihm das Leben. Martin gibt dem Armen neuen Halt, nicht nur materiell, ich glaube auch seelisch, weil der Bettler erfährt: Ich werde wahrgenommen, ich werde gesehen, ich bin nicht allen gleichgültig, es sorgt sich jemand um mich. Das drückt auch das Bild aus: Martin hält ihn in seinen Armen, der Bettler greift nach dem rechten Arm des Soldaten.

Dieser Griff des Bettlers sucht Halt – einerseits. Ich glaube, es ist aber auch noch ein anderer Blickwinkel möglich. Der Griff des Bettlers schenkt Halt, weil er festhält; weil er Martin, dessen Blick in die Ferne schweift, bei sich festhält, Bodenhaftung gibt.

Der Bettler zeigt Martin – symbolisch gesprochen –, wo sein Platz im Leben ist – bei den Armen; zeigt ihm, was seine Aufgabe ist – den Armen zu helfen; und gibt ihm dadurch Halt.

Dem Soldaten, der seinen Militärdienst längst quittieren möchte, es aber nicht darf.

Dem Eremiten, der die Einsamkeit auf der Insel Gallinara bei Genua suchte.

Der im gallische Marmoutier das erste Kloster des Abendlandes gründete.

Dem Bischof von Tours, der gar nicht Bischof werden wollte und statt einer Wohnung in der Stadt lieber in den Holzhütten vor der Stadtmauer lebte.

Dem Politiker, der den Streit selbst mit dem Kaiser nicht scheute, wenn es um den Glauben ging.

Diesem facettenreichen Mann zeigt – zumindest in meiner Deutung – die kleine Geste eines Bettlers, wo sein Platz im Leben ist: bei den Armen. Und diese Aufforderung gilt nicht nur Martin, sondern auch uns. Lassen wir uns von den Armen zeigen, zu was wir fähig sind und wo unser Platz im Leben ist.

Ihre Pfarrerinnen

Claudia Drese und Dorothee Schmitt