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Angedacht November/Dezember 2017

VENEDIG.

Diese Stadt zu besuchen war ein lang gehegter Wunsch. Die Lagunenstadt. Stadt der tausend Brücken (es sind genau genommen nur 398). Natürlich gibt es viel zu sehen, wenn man denn an den zahlreichen Touristen mit Selfiestick vorbeikommt. Aber: Meckern zählt nicht - man ist ja selbst einer dieser Touristen, die die Stadt überschwemmen.

Stuelpner / pixelio.de

Sobald man aber in die zweite oder dritte Reihe zurück geht, in die weniger prominenten Gässchen, fühlt man sich wie in eine andere Zeit zurückversetzt. Lachende Kinder, singende Gondolieri, schreiende Fischhändler, zwischen den Häusern die zum Trocknen aufgehängte Wäsche...

Natürlich kommt man an den zentralen Sehenswürdigkeiten (nicht) vorbei: Markusplatz, Markusdom, Dogenpalast. Besonders im letzteren bekommt man eine Ahnung, welch unermesslicher Reichtum in dieser Stadt zu finden war, die ungefähr zu Luthers Zeiten ihre letzte größte Blüte erlebte. Der Doge (ein auf Lebenszeit gewählter Präsident der Republik Venedig) hatte eine große Machtfülle. Im Dogenpalast war auch das Gericht mit mehreren Kammern.

Auf der anderen Seite des Kanals Rio die Palazzo befinden sich die Kerkeranlagen. Aus diesen gab es kein Entrinnen. Der italienische Dichter Dante Alighieri soll beim Anblick dieser Katakomben ausgerufen haben: "Lasset, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren." Entweder landete man als Sklave auf einer Galeere, man wurde hingerichtet oder konnte sich freikaufen.

Die Brücke, die vom Gericht hinüber in die Karzer führt, heißt Seufzerbrücke. Einen letzten Seufzer ausstoßen und einen letzten 'Blick auf die Freiheit erhaschen konnten alle, die über diese Brücke gehen mussten.

Lasset, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren!

Was für ein furchtbarer Satz...

Wieviel hoffnungsstiftender ist dann dieser Vers, der als Monatsspruch für den Dezember ausgesucht wurde:

Durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes wird uns besuchen das aufgehende Licht aus der Höhe, damit es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.

— Lk 1,78-79

Oft scheint es mir so, als würde Gott uns Menschen mehr zutrauen als wir selbst anderen. Zum Beispiel, dass jemand etwas ehrlich bereut oder tatsächlich seine Meinung oder seinen Weg ändert. Wenn wir miteinander nur halb so barmherzig umgingen wie Gott mit uns, wäre diese Welt ein besserer Ort.

Es grüßen Sie Renate Lisock und Arne Tesdorff.