Liebe Besucherinnen und Besucher unserer Gemeinden!
Bereits im März habe ich mir lange überlegt, was ich schreibe. Was ist wichtig, was hilfreich und wurde in den vergangenen Wochen nicht schon oft gesagt oder geschrieben. Ich weiß, dass es mir auch heute nicht ganz gelingen wird, aber ich versuche es trotzdem. Mir fällt da ein Beispiel ein. Schon zu allen Zeiten wurden die Kinder, wenn sie aus der Schule kommen, gefragt: "Na, was hast du denn heute gelernt?!"
Endlich können das Eltern und Großeltern auch jetzt wieder fragen, ob es den Kindern nun gefällt oder nicht. Ich richte diese Frage heute an uns alle: Was haben wir in den vergangenen zwei Monaten gelernt? Können wir darauf überhaupt eine Antwort geben?
Ich versuche nur für mich zu antworten, denn ich weiß ja nicht, was Sie auf diese Frage antworten würden.
Ich habe gelernt, dass auf einmal alles ganz anders war und leider immer noch ist.
Und ich musste feststellen, dass ich nichts, aber auch gar nichts daran ändern kann. Plötzlich waren Dinge, die vorher ganz wichtig erschienen unwichtig.
Termine und Veranstaltungen müssen abgesagt oder verschoben werden.
Ich habe neu gelernt, dass nicht alles selbstverständlich ist.
Ich denke, ich bin demütiger geworden. Demut was für ein Wort?
Irgendein schlauer Mensch hat dazu gesagt: "Der Demütige nimmt die Wirklichkeit an, ohne vor ihrer Härte zurückzuschrecken." oder "Zur Demut kommt man weder durch Gehorsam, noch durch Absicht. Zur Demut kommt man durch Erkenntnis."
Verstehen Sie mich nicht falsch: Keiner von uns hat sich diese Zeit mit ihren Einschränkungen gewünscht. Ich ganz gewiss nicht. Daran werde ich jeden Tag erinnert, wenn ich sehe, wie mein Enkelkind leidet, weil es nicht in die Kinderkrippe darf.
Ich bin kein Schmusetyp, aber ich vermisse die Nähe anderer lieber Menschen jetzt sehr. Und ich hoffe, dass ich mir das Gelernte merke und nicht wieder ganz vergesse.
Mit den Konfirmanden hatten wir uns für ihren Abschlussgottesdienst das Glaubensbekenntnis von Dietrich Bonhoeffer ausgesucht. Ich zitiere kurz:
"Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen. Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie uns nicht im voraus. ..."
Dietrich Bonhoeffer
Und nun doch noch ein kluger Spruch zum Schluss, in meiner Abwandlung:
Ich muss jeden Tag neu lernen, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann. Aber auch den Mut haben, Sachen zu ändern, die ich erträglicher machen kann. Und ich brauche Geduld und Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Aus Ohnmacht kann auch Kraft wachsen, darauf hoffe ich und das wünsche ich Ihnen für die kommende Zeit.
Eine schöne Zeit wünschen Ihnen Ihre Pfarrerinnen
Renate Lisock und Dorothee Schmitt